German text
Modernized spelling:
1 In meinem Herzen hab ich mir
Gesetzet für,
Ich woll mein Zung bewahren,
Und wollte zäumen meinen Mund,
Zu aller Stund,
Dass mir kein Wort entfahre,
Welchs mir zur Sünd
Gereichen künnt,
Weil ich muss sehn
In Flore stehn
Für mir die gottlos Schare.
2 Ich bin verstummet ganz und still,
Nach Gottes Will
Wollt ich mein Herz gern lenken
Und in mich fressen all mein Leid,
Schweigen der Freud,
Doch wenn ich dran gedenke,
Mein Herz sich wendt,
Im Leib entbrennt,
Ich werd entzündt,
Mein Zung tut Sünd,
Ach Gott, wie tut michs kränken.
3 So lehr mich doch, du treuer Gott,
Dass mir der Tod
Das End einmal muss geben,
Mir ist das Ziel gesetzet schon,
Ich muss davon
Und meinen Geist aufgeben.
Mein Tag han kaum
Ein handbreit Raum,
All Herrlichkeit
Ist Eitelkeit,
Wie nichts für dir mein Leben.
4 Wie gar nichts sind all Menschenkind,
Rasend und blind,
In Sicherheit verderbet,
Sie gehn daher eim Schemen gleich,
Zu werden reich
Ein jeder sich bewerbet,
Rennt, läuft, kratzt, scharrt,
Geizt, sorgt und spart,
Hat doch kein Mut
Bei großem Gut,
Lässt's noch wohl lachende Erben.
|
5 Nun Herr, wes soll ich trösten mich?
Ich hoff auf dich,
Stell alls zu deiner Gnaden,
Mach mich von meinen Sünden quitt,
Verlass mich nit,
Sonst hab ich Spott zum Schaden.
Ich schweig und leid,
Vertrag und meid,
Und trau auf dich
Ganz sicherlich,
Durch dich wird nichts missraten.
6 Wend ab deiner Hand Straf von mir,
Sonst ich für dir
Verschmacht von deinen Plagen.,
Wenn du die Sünder suchest heim
Mit Straf und Pein,
Wird ihre Schön durchnaget,
Gleichwie die Mott
Des Kleides Tod,
Macht dein Gericht
Alles zunicht,
Gar nichts sind Menschen Tage.
7 Herr, hör mein Bitt, vernimm mein Gschrei,
Schweig nicht dabei,
Mein Tränen zähl mit Fleiße,
Du weißt, Herr, dass ich dein Pilgrim
Und Bürger bin,
Nach meiner Väter Weise,
Lass von mir ab,
Dass ich mich lab
An deinem Wort,
Eh ich muss fort
Und sein der Würmen Speise.
|
German text
Original spelling:
1 In meinem Hertzen hab ich mir
Geſetzet für/
Ich wol mein Zung bewahren/
Und wolte zeumen meinen Mund/
Zu aller Stund/
Daß mir kein Wort entfahre,
Welchs mir zur Sünd/
Gereichen kündt,
Weil ich muß ſehn
In Flore ſtehn
Für mir die gottlos Schare.
2 Ich bin verſtummet gantz und ſtill,
Nach Gottes Will
Wolt ich mein Hertz gern lencken/
Und in mich freſſen all mein Leid/
Schweigen der Frewd/
Doch wenn ich dran gedencke/
Mein Hertz ſich wendt,
Im Leib entbrennt/
Ich werd entzündt/
Mein Zung thut Sünd/
Ach Gott wie thut michs krenken.
3 So lehr mich doch, du trewer Gott/
Daß mir der Tod
Daß End einmal mus geben,
Mir iſt das Ziel geſetzet ſchon/
Ich mus darvon
Und meinen Geiſt auffgeben.
Mein Tag han kaum
Ein handbreit Raum,
All Herrligkeit
Iſt Eitelkeit/
Wie nichts für dir mein Leben.
4 Wie gar nichts ſind all Menſchenkind/
Raſend und blind/
In Sicherheit verderbet/
Sie gehn daher eim Schemen gleich/
Zu werden reich
Ein jeder ſich bewerbet/
Rennt/ läufft/ kratzt/ ſcharrt/
Geitzt/ ſorgt und ſpart/
Hat doch kein Muth
Bey großem Gut/
Leſts noch wol lachendn Erben.
|
5 Nun HErr wes ſol ich tröſten mich?
Ich hoff auff dich/
Stell alls zu deiner Gnaden/
Mach mich von meinen Sünden quitt/
Verlaß mich nit/
Sonſt hab ich Spott zum Schaden.
Ich ſchweig und leid/
Vertrag und meid/
Und trau auff dich
Gantz ſicherlich/
Durch dich wird nichts mißraten.
6 Wend ab deiner Hand Straff von mir,
Sonſt ich für dir
Verſchmacht von deinen Plagen/
Wenn du die Sünder ſucheſt heim
Mit Straff und Pein/
Wird ihre Schön durchnaget/
Gleichwie die Mott
Des Kleides Todt/
Macht dein Gericht
Alles zunicht/
Gar nichts ſind Menſchen Tage.
7 HErr hör mein Bitt/ vernim mein Gſchrey/
Schweig nicht dabey/
Mein Thränen zehl mit Fleiſſe,
Du weiſt, HErr/ daß ich dein Pilgrim/
Und Bürger bin/
Nach meiner Väter Weiſe.
Laß von mir ab/
Daß ich mich lab
An deinem Wort/
Eh ich muß fort/
Und ſeyn der Würmen Speiſe.
|